Die zu Hyundai gehörende Marke Genesis hat in kürzester Zeit fünf Baureihen in Deutschland eingeführt. Nun folgt der rein elektrisch angetriebene GV60. Die Koreaner greifen dafür auf Konzerntechnik zurück, machen aber auch einiges anders. Testfahrt.
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Schnelles Laden: 800-Volt-Technik wie bei Kia und Hyundai
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Zwei Allrad-Versionen: Sport mit 318 PS und Sport Plus mit 490 PS
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77-kWh-Akku für 466 und 470 km Normreichweite
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Preis: ab 56.370 Euro
Genesis ist eigentlich noch ganz neu auf dem deutschen Markt, doch das Tempo, das die Koreaner hinlegen, ist beeindruckend. Mit dem GV60 bringt Genesis bereits die sechste Modellreihe innerhalb eines Jahres auf den deutschen Markt – von der klassischen Mittelklasselimousine G70 bis zum großen SUV GV80 reicht das Spektrum. Nun (ab 7. Juni 2022) kommt mit dem GV60 das erste Fahrzeug mit batterieelektrischem Antrieb der Marke. Und er ist nur der Vorreiter: Für 2022 sind zwei weitere Elektroautos geplant, und ab 2025 sollen alle Neueinführungen elektrisch sein.
Nun aber erst mal der GV60. Der ist ein technischer Bruder des Hyundai Ioniq 5 und Kia EV6. Wer das nicht weiß, würde es nicht bemerken: Optisch unterscheiden sich die drei Fahrzeuge aus dem gleichen Konzern deutlich. So stellt der Hyundai mit seiner kastigen Form den Pragmatiker für alle dar, die viel Nutzwert wollen; der Kia EV6 gibt sich als adrette Sportlimousine mit extravaganter Optik. Und der Genesis GV60? Er soll eher für Luxus und Sportlichkeit stehen und gibt sich betont eigenständig.
Genesis GV60: Details in Bildern
Verspielte Details machen den Reiz aus
Und er fällt auf im Straßenbild, wie die erste Testfahrt gezeigt hat. Dazu braucht es gar nicht das eher aufdringliche „Sao Paulo Lime“ im Textmarker-Gelb. Auch sonst ist der GV60 eine Erscheinung: Selbst wenn er mit einer Länge von 4,52 Metern der kürzeste Vertreter des Trios ist, wirkt er neben anderen Autos ziemlich wuchtig.
Mit dem Schlüssel in der Tasche auf das Auto zu gehen reicht, damit der GV60 seine versenkten Türgriffe ausfährt und in den Innenraum bittet. Zwar lassen sich die Türgriffe nicht sonderlich gut greifen, doch Show ist eben alles. Innen geht sie weiter: In der Mittelkonsole befindet sich eine interessant aussehende Glaskugel, die nachts auch noch mystisch beleuchtet ist und ziemlich stilvoll wirkt. Die Wahrheit vorhersagen kann sie aber nicht, verschmutzt sie sich nach dem Druck auf den Startknopf eindrucksvoll und verwandelt sich in einen runden Gangwahlknopf für die Automatik.
Ziemlich cool, wie auch das übrige Innenraumdesign. Es gibt viele Ablagen, Becherhalter und USB-Anschlüsse. Der Fahrer schaut auf Zwei große Monitore, die auf den ersten Blick wie ein großes zusammenhängendes Display wirken, tatsächlich aber durch eine etwa acht Zentimeter breite Blende in der Mitte voneinander getrennt sind. Gut: Zwar ist der Bildschirm als Touchscreen ausgeführt, doch es gibt zusätzlich einen handlichen Controller nach Art des iDrive-Knubbels von BMW, über den sich die Bildschirmmenüs bedienen lassen. Das klappt recht intuitiv und ohne allzu lange Eingewöhnungszeit.
Genesis GV60: Was taugen die Kameraspiegel?
Schon etwas schwerer wird es mit den aufpreispflichtigen digitalen Außenspiegeln. Für 1460 Euro Aufpreis sitzen in den Türen zwei Monitore, die das Kamerabild von außen in den Innenraum übertragen. Vorteil: Einen toten Winkel gibt es nicht mehr und die Kameras sind verschmutzungssicher. Doch der Gewöhnungsaufwand ist enorm. Schon nicht mehr automatisch aus dem Fenster Richtung „Spiegel“ zu sehen, sondern auf den Monitor im Eck, kostet Überwindung.
Und auch wenn das Kamerasystem ausgereifter wirkt etwa als beim Audi e-tron, überwiegen die Nachteile: Man kann nur schwer einschätzen, wie weit ein Auto tatsächlich entfernt ist und zusammen mit dem Bildschirm hinter dem Lenkrad, dem auf der Mittelkonsole, dem Display für die Heizungseinstellung und dem (gut gemachten) Head-up-Display als Projektion in der Scheibe, flimmert dann mit zwei weiteren Bildschirmen in den Ecken ganz schön viel vor den Augen des zunehmend reizüberfluteten Fahrers. Ergo: Einfach nicht mitbestellen.
Mitbestellen sollte man dagegen das Soundsystem von Bang & Olufsen. Und zwar nicht nur wegen des exzellenten Klangs: Es erzeugt außerdem einen Gegenschall und eliminiert dadurch Fahrgeräusche. Das klappt hervorragend. Der mit diesem System ausgerüstete Testwagen war überaus leise unterwegs, störende Abroll- und Windgeräusche waren nicht zu nehmen.
Elektro-SUV mit sehr sportlichen Fahrleistungen
Für die erste Testfahrt steht das Topmodell Sport Plus zur Verfügung. Der Name ist hier Programm, denn die an sich schon gewaltige Leistung von 320 kW/436 PS der beiden Elektromotoren (Allradantrieb ist Serie) lässt sich per Boost-Taste am Lenkrad noch einmal kurzzeitig steigern. Für rund zehn Sekunden wird dann der „Turbo“ mit 40 Zusatz-kW aktiviert und der GV60 schießt los als Einfluss es kein Morgen. Was er auch ohne „Turbo“ tut. 2,2 Tonnen Leergewicht scheinen sich in nichts aufzulösen, Überholvorgänge auf der Landstraße werden zum kurzweiligen und dadurch zuverlässigen Vergnügen.
In Zahlen: 4,0 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100 – das ist der Wert eines Supersportwagens. Und genauso fühlt es sich auch an, wenn der GV60 verzögerungsfrei loslegt und die Insassen in die Sitze presst. Schnelle Kurven meistert der GV60 behände und flinker als etwa der VW ID.5 GTX, dessen Gewicht fühlbar mehr nach außen drängt.
Das ist beeindruckend. Trotzdem stellt sich die Frage, ob es denn unbedingt das Topmodell sein muss oder ob nicht auch das „Basismodell„ namens „Sport“ reicht. Auch das hat zwei E-Motoren, Allradantrieb und zwar „nur“ 318 PS, doch 5,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h sind schließlich auch ein Wort. Sparen lassen sich dadurch rund 15.000 Euro. Und ob man nun 200 km/h Spitze fahren kann (Sport) oder 235 km/h (Sport Plus) ist Elektrofahrer ohnehin einerlei.
Dank 800 Volt wird der 77-kWh-Akku schnell geladen
Ihnen sind andere Werte wichtiger: Reichweite, Verbrauch und die Ladefähigkeit zum Beispiel. Und auch hier kann der GV60 punkten. Die zu Hyundai gehörende Edelmarke greift auf die aktuelle Konzerntechnik zurück, die bereits in den Modellen Hyundai Ioniq 5 und Kia EV6 zum Einsatz kommt und unter anderem über ein 800-Volt-System verfügt. Damit kann der 77,4-kWh-Akku an einem potenten Schnelllader (DC-Säule, meist an der Autobahn) innerhalb von 18 Minuten von zehn auf 80 Prozent aufgeladen werden und sticht die meisten anderen E-Autos aus. Wenn diese noch geladen sind, ist der Genesis längst wieder auf der Piste.
An langsameren AC-Säulen schafft der GV aber nur 11 kW, was eine Ladezeit bei leerem Akku von gut sieben Stunden nach sich zieht. Wünschenswert wäre, dass Ladestationen bei der Routenberechnung mit einkalkuliert Werden, doch die Funktion kommt erst noch und wird „over the air“ nachgereicht.
Bis zu 470 km Reichweite
Langstreckentauglich klingt auch die angegebene Reichweite von 466 bis 470 Kilometern, doch wie bei jedem E-Auto ist sie arg von der Fahrweise und den betreffenden abhängig. Bei langsamer Stadtfahrt sollte man die Werte zwar erreichen können, doch wer dem Reiz der hohen Leistung erliegt, dürfte mit den angegebenen 19 kWh Stromverbrauch nicht hinkommen – und damit auch nicht mit der Reichweite. Auf der ersten, durchgeführten Testfahrt hat der Bordcomputer rund 23 kWh ausgewiesen. Rein rechnerisch wären dann rund 340 Kilometer Reichweite drin gewesen. Dank serienmäßiger Wärmepumpe soll sich die Reichweite im Winter nicht allzu sehr reduzieren.
Insgesamt macht der Genesis GV60 einen sehr ausgereiften Eindruck, zumindest was das Fahren und Laden angeht. Dass die Radkästen im Kofferraum mit schnell verkratzendem Hartplastik verkleidet sind, passt nicht so ganz zum Premium-Anspruch der Marke. Und in der zweiten Reihe sitzt man nicht ganz so bequem wie im Ioniq 5hat etwas weniger Platz und die Füße können nicht unter die flach montierten Vordersitze verschoben werden – was ebenfalls Platz raubt.
Genesis-Händler gibt es nicht
Doch was man auch mögen muss, ist das eigenwillige Vertriebsmodell von Genesis. Ein Händlernetz gibt es nicht, sieht man von einem „Studio“ in der Münchner Fußgängerzone einmal ab. Gekauft wird online – ohne Rabatte! Die Neuerwerbung wird einem von einem „Persönlicher Assistent“ vor die Tür gestellt, der schon vor dem Kauf für eine Probefahrt zur Stelle ist, den Wagen zum Kundendienst abholt und wieder bringt. Das macht er mindestens fünf Jahre lang, so das „Fünf-Jahres-Versprechen“ mit entsprechend langer Garantie der Marke Kundendienste sind dabei auch inkludiert.
Und was ist danach? Dann ließe sich der Dienst gegen Entgelt verlängern, heißt es beim Hersteller. Wie viel das kostet, weiß Genesis aber noch nicht. Und wenn man das nicht möchte? Dann muss der Kunde sein Fahrzeug zu einem der acht (!) deutschen Werkstätten bringen, die sich vornehmlich in den Ballungsräumen befinden. Doch ob der Premium-Kunde bereit ist, dafür weit zu fahren? Das wird man sehen. Eigner eines Ford Mustang Mach-E oder VW ID.5 can auf ein dichteres Händler- und Werkstattnetz zurückgreifen.
Genesis GV60: Technische Daten, Preis
Technische Daten (Herstellerangaben) |
Genesis GV60 Standard Premium Sport AWD (ab 06/22) |
Genesis GV60 Performance Premium Sport Plus AWD (ab 06/22) |
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Motorart |
Elektro |
Elektro |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) |
234 |
360 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) |
318 |
490 |
Drehmoment (Systemleistung) |
605Nm |
700Nm |
Antriebsart |
Allrad |
Allrad |
Beschleunigung 0-100km/h |
5,5 Sek |
4,0 Sek |
Höchstgeschwindigkeit |
200 km/h |
235 km/h |
Reichweite WLTP (elektrisch) |
470km |
466km |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) |
0g/km |
0g/km |
Verbrauch kombiniert (WLTP) |
18,8 kWh/100km |
19,1 kWh/100km |
Batteriekapazität (Brutto) in kWh |
77,4 |
77,4 |
Ladeleistung (kW) |
AC:2,3-11,0 DC:50,0-350,0 |
AC:2,3-11,0 DC:50,0-350,0 |
Kofferraumvolumen normal |
432 l |
432 l |
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank |
1.550 l |
1.550 l |
Leergewicht (EU) |
2,095 kg |
2,145 kg |
Zuladung |
515 kg |
515 kg |
Anhängelast ungebremst |
750 Kilo |
750 Kilo |
Anhängelast gebremst 12% |
1.600 kg |
1.600 kg |
Garantie (Fahrzeug) |
5 Jahre |
5 Jahre |
Länge x Breite x Höhe |
4.515 mm x 1.890 mm x 1.580 mm |
4.515 mm x 1.890 mm x 1.580 mm |
Grundpreis |
56.370 Euro |
71.010 Euro |
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Quelle: www.adac.de