Die Kraft aus dem Hubraum und acht Zylindern oder doch lieber modern mit Turbolader und sechs Töpfen? Im modifizierten 3er von Alpina macht beides Spaß und der Oldie hält sich wacker.
Alpina B8 4.6 Touring trifft B3 Allrad Touring
SP-X/Essen. Alpina hat sich einen Namen damit gemacht, auf Basis von BMW-Modellen eigene technische Kreationen auf die Räder zu stellen und erlangte damit Herstellerstatus – nicht zuletzt dank der wohlwollenden Mitarbeit von BMW. Letzteres dürfte sich nicht geändert haben, aber die Ingenieure stehen vor der Hürde, immer aufwendigere Homologationsverfahren durchzuführen, und die Typprüfungen müssen auch nicht mit immer höheren technischen Anforderungen durchgeführt werden. Downsizing und die Vereinheitlichung der verbliebenen Verbrennungsmaschinen verkleinern den Spielraum für Individualisierungen. Trotzdem muss der Blick auf den fast drei Jahrzehnte alten Alpina B8 4.6 Touring nicht wehmütig sein angesichts seines Nachnachnachfolgers B3 Allrad Touring. In beiden Fällen handelt es sich um die 3er-Reihe von BMW als Basisfahrzeug.

Das Interieur ist edel
Ein Schlüsseldreh und der dezent brabbelnde V8 des B8 erwacht zum Leben und sendet wohlklingende Schallwellen Richtung Innenraum. Und obwohl wir die Neunziger ja noch als moderne Autoepoche im Kopf haben, vermittelt der 3er der Baureihe E36 ein gerütteltes Maß an Youngtimer-Charakter. Die Kupplung erfordert einen festen Tritt, der Schalthebel präzisiert Führung. Eine angenehme Eigenschaft älterer Autos ist ihre frappierende Übersichtlichkeit. Auch wenn BMW mit der berühmten „Park Distance Control“ früh am Drücker war – vermissen würde man sie im Dreier der Neunzigerjahre nicht unbedingt. Mit unter dreißig gebauten Exemplaren ist der E36 Touring mit seinem 4,6-Liter-V8 ein echter Exot, aber ein kräftiger. Natürlich klingen 245 kW/333 PS in der modernen Autowelt immer noch viel. Aus zeitgenössischer Perspektive waren sie gigantisch, erst recht in der Mittelklasse.

Der Alpina B3 Allrad Touring leistet 340 kW/462 PS
Es geht zunächst durch die Stadt des quirligen Ruhrgebiets, wo rote Ampeln mehr Aufmerksamkeit binden als der nervös zuckende Drehzahlmesser des seltenen Alpina. Hier schlägt er sich alltagstauglich. Ein bisschen Feingefühl im Kupplungsfuß hilft, den für ruppige Lastwechsel anfälligen Strang geschmeidig zu halten. Und da es trocken ist, stellt Traktionsmangel kein Problem dar, im niedrigen Drehzahlbereich sowieso nicht. Wie passend, dass das Motoröl warm ist, als die Straßen endlich ein bisschen freier werden und der Achtzylinder drehen darf. Und das muss er auch, um den rund 1,6 Tonnen schweren Kombi nachdrücklich nach vorn zu treiben. Aber dann wird er munter und zeigt auch moderne Autos noch die Zähne. Zeitgenössisch rangierte der B8 4.6 von seiner Power auf dem Level Kaliber wie Porsche 928 GTS (350 PS) und war nicht weit entfernt von seinem damals frisch eingeführten Ferrari F355 mit gerade einmal 48 PS Vorsprung. Wer es darauf anlegt, erreicht Landstraßentempo innerhalb von fünfeinhalb Sekunden. Das ist heute immer noch beachtlich, früher schier unfassbar in diesem Segment – und das auch noch in einem Kombi. Aber man muss sagen: Der B8 ist kein Racer, sondern eher ein souveräner Cruiser mit hohen Reserven und manierlich gefedert, was Ausdruck der Alpina-Note ist – immer ein Quäntchen Restkomfort mit auf dem Weg.

Der Aktuelle ist fast 30 Zentimeter länger als das Modell aus den 90ern
Wäre da nicht der fette B8-Schriftzug auf dem Heckdeckel, man würde den exotischen Kombi kaum identifizieren, denn das schlichte Doppelrohr mutet eher harmlos an. Ein klitzekleines Fitzelchen mehr Aufmerksamkeit könnte der moderne B3 erhaschen mit seinem deutlichen Diffusor und der sauberen in den Stoßfänger integrierten vierflutigen Auspuffanlage.

Alpina B8 4.6 Touring von 1994 kommt auf 245 kW/333 PS
Dafür verkneift sich der Touring naturgemäß die prominente Lippe auf dem Kofferraumdeckel, weil seine Karosserieform eben nur Platz für einen ungleich dezenteren Dachspoiler lässt – gut so. Der Kunde hat die Wahl und kann den Alpina in ganz unauffälliger BMW-Lackierung ordern oder das betont schicke Alpina Grün II inklusive Dekorstreifen wählen. Letztere Variante ist sicherlich die Option der Enthusiasten, die sich am individuellen Look erfreuen. Dass BMW künftig mit einem M3 Touring um die Ecke kommt, muss den Alpinisten keine Angst machen. Anschließend ist die einzigartige Melange aus Sportlichkeit und einer dennoch einheitlichen Ausrichtung die Spezialität des Hauses. Natürlich mag es etwas leichter gewesen sein für die Alpina-Verkäufer um das Wissen, als einziger Anbieter einen Kombi mit 462 PS im Programm zu führen, aber Konkurrenz belebt ja schließlich das Geschäft.

Das Interiuer vermittelt schon ein wenig Youngtimer-Charakter
Der Vergleich mit dem M3 ist dankbar, da es sich beim B3 quasi um einen etwas in der Leistung reduzierten M3-Motor (S58) handelt. Trotzdem kommt der Alpina kommod daher mit straffem, aber nicht hartem Fahrwerk und feinen, anschmiegsamen Lederfauteuils. Er gibt trotz des unbändigen Bisses (0 bis 100 km/h in 3,9 Sekunden) den feinen Tourer mit hoher Langstrecken-Qualität. Der (Antriebs-)Komfort ergibt sich aus dem erweiterten Drehmoment-Plateau der maximal elastischen Maschine, den in dieser Form nur Turbomotoren bieten can. Seine 700 Newtonmeter liefern das Triebwerk mit wohlkomponierter Akustik zwischen 2.500 und 4.500 Touren ab, was den Kombi quasi aus jedem Lebenslage heraus mit Gaspedalbefehl brachial nach vorn schießen lässt.

Die Höchstgeschwindigkeit des Alpina B8 4.6 Touring ist mit 275 km/h angegeben
Im Gegensatz zu BMW lässt Alpina seine Produkte ohne selbstgewählte Temposperre aus den Werkshallen rollen, so beziffert das Werk die Höchstgeschwindigkeit des B3 Allrad Touring mit glatten 300 km/h. Auf diese Weise bekommt der Kunde zum Grundtarif von 85.150 Euro eine individualistische und pfeilschnelle M3-Alternative mit Manufaktur-Charakter.
Alpina B8 4.6 Touring (1994) – technische Daten:
Mittelklasse-Kombi, Bauzeit: 1995 bis 1998, Länge: 4,43 Meter, Breite: 1,70 Meter, Höhe: 1,39 Meter, Radstand: 2,70 Meter
4,6-l-Achtzylinder-Otto-Saugmotor, 245 kW/333 PS, maximales Drehmoment: 470 Nm, 0-100 km/h: 5,7 s, Vmax: 275 km/h, Sechsgang-Schaltgetriebe
Ehemaliger Neupreis: 129.000 Mark
Alpina B3 Allrad Touring – technische Daten:
Mittelklasse-Kombi, Länge: 4,72 Meter, Breite: 1,83 (2,06 mit Außenspiegeln) Meter, Höhe: 1,44 Meter, Radstand: 2,85 Meter
3,0-l-Reihensechszylinder-Ottomotor mit doppelter Turboaufladung, Leistung: 340 kW/462 PS, maximales Drehmoment: 700 Nm ab 2.500 bis 4.500 U/Min., 0-100 km/h: 3,9 s, Vmax: 300 km/h, Achtgang-Automatik (Wandler), Durchschnittsverbrauch: 9,9 l/100 km, CO2-Ausstoß: 228 g/km, Effizienzklasse F, Grundpreis: ab 85.150 Euro
Patrick Broich/SP-X
Quelle: www.rhein-zeitung.de