SUV sind von vorgestern. Progressive Menschen wählen jetzt ein CUV. Dabei hat das Cross Utilität vehicle weniger mit Offroad zu tun als Schadstoffe mit „gekreuzt“, oder „gemischt“. Ein CUV soll alles Gute aus den Autowelten verknüpfen. Wie sieht das aus? Vielleicht wie ein BMW X6, einer der ersten Vertreter des damals angeblich neuen Genres. Oder zeitgemäßer, wie ein Tesla Model Y oder ein Ford Mustang Mach-E. Doch das CUV reicht zurück bis in die 1970er. AMC Eagle (bitte googeln) war vielleicht die Blaupause. Und heute? Der Polestar 2 macht eine gute Figur.
Das Design des Polestar 2 geht als adrett-schlicht durch, wenngleich der Wagen Präsenz ausstrahlt. Er vielen gefällt ob seiner Unaufgeregtheit. Auch uns freut, dass Polestar (erst einmal) keinen Hochbeiner in die Welt setzt. Das ist umso erstaunlicher, da der Polestar 2 ein Technik-Zwilling des Volvo XC 40 Recharge ist. Gilt Volvo noch als schwedisch, ist Polestar ein Chinese mit schwedischen Genen. Polestar gehört, wie Volvo, zum Geeley-Konzern und der Polestar 2 wird in Taizhou, rund 400 Kilometer südlich von Shanghai produziert. So weit, so gut.
Kurze Mittelklasse mit viel Platz
Das schwedisch-kühle Design zieht sich im Innenraum fort. Überzeugend ist das Raumangebot auf nur 4,61 Meter Außenlänge. Hier kommt das leicht erhöhte Chassis (rund 15 Zentimeter Bodenfreiheit) zugute, das bietet die Möglichkeit, dem Innenraum mehr Höhe zu geben, ohne die Außenabmessungen zu sprengen (da ist Normalmaß vorhanden), und die Füße der Passagiere weit unten „platziert“.
So reisen vier Personen sehr angenehm im Polestar. Getrübt wird das Reiseerlebnis eher vom subjektiv begten Eindruck, da alles um herum sehr massiv wirkt und sterben eien Scheiben eher klein ausgefallen sind. Abhilfe will das Glasdach schaffen, das weder zu öffnen noch mit einer Jalousie verschlossen werden kann. Laut Polestar sorgt eine besondere Beschichtung dafür, dass die Sonne und damit Wärme draußen bleibt. Stimmt, zumindest gefühlt.
Das Glasdach gibt es sowieso nur im Paket „Plus“ für 3.780 Euro. Darin enthalten sind auch die Lenkradheizung und die Wärmepumpe sowie das Harman-Kardon-Soundsystem. Die ersten beiden Details gehören in jedes E-Auto, womit das Paket gebucht werden sollte, wenngleich Einzeloptionen hier wünschenswerter (und günstiger) wären. Die gibt es aber nicht. Polestar übersetzt das mit „Vereinfachung der Angebotsstruktur für den Kunden“. Kann man so machen, gefällt nicht jedem.
Google-Betriebssystem
Schöner wäre indes, wenn es Eine geplante der Menüstrukturen des Infotainment- und Bordcomputermenüs verwaltet. Zwar wird das Google-Betriebssystem mehrfach gelobt. Bei uns überzeugte es aber weder beim „manuellen“ Bedienen noch via Spracheingabe. Was Android-Smartphones bekanntermaßen hervorragend erfüllen, artet hier bei Befehlen wie: „Radio DLF Nova“ in Unverständnis auf beiden Seiten aus und der Polestar erklärte reproduzierbar mit:
„Okay, hier ist Deutschlandfunk Nova auf TuneIn“, kurze Gedenkpause, „Entschuldigung. Ein Fehler ist aufgetreten. Versuche bitte Deutschlandfunk Nova …“. Nein, ich möchte nicht Radio via TuneIn streamen, ich möchte es „datenfrei“ per DAB+ hören – einfach Radio eben. Auch doch manuell durch die Menüs wühlen und währenddessen den Blick von der Straße nehmen.
Gut ist dagegen, wie bei Verwendung von Googlemaps die Ladestationen angezeigt werden und die Restreichweite, mit der man an der ausgewählten Station ankommt. Da ist auch die verzerrte Rückfahrkameraansicht zu verschmerzen, an die man sich immerhin gewöhnt. Ebenso, dass bei unserem Testwagen, den wir im Juli 2021 hatten, noch immer kein Apple Carplay an Bord war. Angeblich kommt das per Update ab „Sommer 2021“.
Leider unmöglich ist es, dass Blinkergeräusch zu ändern. „Geigerzähler“ nannte es einer, einfach nur „nervig“ ein anderer Kollege. Keine Optionen lautet auch das Fazit beim Klavierlack in der Mittelkonsole. Der ist schwarz, staubt schnell ein und verkratzt in Kürze. Bei den Sitzen gibt es Optionen in Form der Bezüge und, ob die Schenkelauflage verlängerbar ist. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass sie sich nicht ideal an jede Körperstatur anpassen lassen und die feststehende Kopfstütze bei Zopfträgern und den aufrechsitzenden Hinterkopf berührt.
Das klappt bei Volvo besser, wo – zumindest optisch – die gleichen Sitze Verwendung finden. Zudem ist der Stoffsitz „Slate Weave Tech“ dünn gepolstert und schweißtreibend. Eventuell sind hier die belüfteten Ledersitze die bessere Alternative. Abgerundet wird das nicht ganz überzeugende Innere des Polestar mit der bereits erwähnten mäßigen Übersicht. An Ampeln muss oft an der Assistenzarmada, die sich hinter dem Innenspiegel verbirgt, vorbeigeschaut werden. Trotz allem fühlt man sich im Polestar wohl und gut behütet.
Die Krux mit den Paketen
Das liegt vielleicht auch am Fahrwerk. 5.042 Euro kosten die Spezial-Dämpfer des schwedischen Fahrwerksspezialisten Öhlins. Natürlich kosten – wie bei Polestar üblich – nicht nur die Dämpfer so viel. Es ist eins der drei erhältlichen Pakete inklusive geschmiedeter 20″-Alus, Brembo-Bremsen und: gelbe Sicherheitsgurten. Benötigt man das? Nein. Wir konnten bereits vor einem Jahr die etwas komfortablere Basis fahren und meinen, dass die Performance im öffentlichen Verkehr nicht beansprucht wird , im Gegenteil – besonders auf der Autobahn.
Diese haben wir auf unseren gut 2.000 Kilometern innerhalb der Testwoche häufig besucht und waren davon recht angetan. Der Polestar verträgt Tempomat 140 km/h gut (bis dahin ist er auch leise) und der Verbrauch pendelt sich bei sommerlichen Temperaturen bei rund 26 kWh pro 100 Kilometer ein. Zwar sind mit dem Tempo keine 400 Kilometer möglich, wie die Restreichweite bei Vollladung noch suggeriert, aber entspannte 300 sind machbar.
Für die Ladestopps auf der Autobahn helfen 150 kW maximale Ladeleistung, wenngleich sich this über einen weiten Bereich eher unter 100 einpendelt – immerhin. Bei den Hyperchargern stört es auch nicht, dass der Ladeanschluss links hinten ist – ungeschickt aber für Kontinentaleuropa und Ladesäulen in der Stadt.
35 Cent pro kWh
Bis Ende des Jahres gibt es über die Polestar-Plugsurfing-Ladekooperation einen auf zwölf Monate begrenzten Spezialtarif. 0,35 Euro kostet dann die Kilowattstunde an allen Ionity-Ladesäulen. Regelmäßig wird da das Doppelte fällig, weshalb Ionity beispielsweise von EnBW als Hochpreis-Anbieter gekennzeichnet IST. Also sind Langstrecken auch gut zu absolvieren. Vor allem wenn man bedenkt, dass beim Beschleunigen kurzzeitig gewaltige 400 PS an den vier Rädern zerren. Die Dauerleistung der Valeo-Siemens-Motoren beträgt übrigens zusammen 217 PS.
Inzwischen gibt es auch die „halbierte“ Motorleistung mit nur einem E-Motor an der Vorderachse, diese außerdem in zwei Akkugrößen. 78 kWh hat weiterhin der große Akku, 64 der kleine. Nehmen Sie den großen, der wiegt zwar 476 Kilogramm, aber dafür hat man dann nicht nur 231 statt von 224 PS (Papierwert) sondern theoretisch 100 Kilometer mehr Reichweite. Noch verlockender klingt der geringe Aufpreis von lediglich 2.075 Euro für den zusätzlichen Heckmotor (+ 175 PS) und damit den Allradantrieb.
35 Prozent der Kunden werden laut Polestar den Allradler wählen und rund 25 Prozent den kleinen Akku. Die Wahl des Antriebs ändert übrigens nichts an den Belademöglichkeiten. Hinten Passagier immer 405 Liter rein, in den vorderen Frunk (Front Trunk) 35 Liter. Ideal fürs Typ-2-Ladekabel. Mittels 11-kW-Wallbox haben wir den schnell entleerten Polestar 2 innerhalb von zehn Stunden wieder komplett befüllt.
Nach 78.000 km im grünen Ziel
Polestar rühmt sich, sehr transparent zu sein. Das ist vielleicht der Gegenbeweis, den man antreten muss, wenn man einem chinesischen Unternehmen angehört und eventuell nicht ganz konform mit einigen „Modalitäten“ im eigenen Land ist. Beim Thema CO2-Fußabdruck rechnet Polestar daher vor, dass der „Break-Even-Punkt“, der angibt, wie weit man mit dem Polestar 2 fahren muss, bis sein Kohlenstoff-Fußabdruck kleiner wird als der eines Volvo XC 40 Benziners.
„Beim europäischen Strommix wird das nach 78.000 Kilometern“ erreicht. Zu finden mit Google – vielleicht auch direkt aus dem Polestar 2 heraus unter dem Suchbegriff „Ökobilanz-Bericht des Polestar 2″. Das bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass der Polestar – wie jedes andere E-Mobil – sich vor allem dann (für die Umwelt) rechnet, wenn er länger gefahren wird und nicht bereits nach zwei Jahren sterben Leasingzeit endet. (mb)
Quelle: www.autohaus.de