Kaktusmuster! Alleine dieses Kaktusmuster macht mich völlig fertig vor Freude, fröhlich hüpfen einem die 1990er Jahre entgegen, vamos a la playa! Der knallige Bezugsstoff ist ja eigentlich im T4 zu Hause, doch stehen die Kakteen auch dem Caddy der zweiten Generation am besten. This betritt 1995 die Bühne, da ist der auf dem VW Golf basierende Ur-Caddy schon zwei Jahre Geschichte. Wer nun aber meint, auch „Caddy 2“ würde sich an den Golf schnuckeln, der irrt gewaltig. Denn nun hält ein völlig neues Konzept Einzug, der Mit-Neunziger teilt sich die Plattform mit einem Kumpel der spanischen Volkswagen-Tochter Seat, Inca genannt. Eigenständigkeit erlangt der Caddy durch seine geänderte Frontpartie mit dem integrierten Markenzeichen und lackierten Stoßfängern, auch in Sachen Armaturentafel, Instrumentierung oder Lackfarben unterscheidet sich der Caddy von seinem Markenbruder. Zudem verwendet VW eigene (aha!) Bezugsstoffe. Womit wir wieder beim Kaktus wären; in Sachen Dekor schmiegt sich der Caddy-Camper wahrscheinlich an den großen Bruder, ohne den California auch nur beim Namen zu Namen. Trotzdem wurde der Prototyp, der ein Einzelstück würde bleiben müssen, zur IAA 1995 fertig: Wer auch immer der Tischler war, der den Innenausbau gefertigt hat, er war ein Könner, die Verarbeitung ist so schick wie solide. Ein Camper war vermutlich aber nicht, dafür sind die Holzteile zu wuchtig, zu schwer.
Die Dachbox
Kai-Uwe Knoth
Vorsichtig WIRD der Deckel angehoben, immerhin handelt es sich um ein Museumsstück.
Es geht wohl vor allem darum, die Vielseitigkeit des neuen Caddy unter Beweis zu stellen; die mutige Studie sollte zeigen, wie man sich in Wolfsburg ein kompaktes Wohnmobil vorstellt. Basis war hierbei der verglaste Kastenwagen, vom Fahrerhaus zieht sich eine aerodynamisch geformte Dachbox bis zum Heck. Bleibt die Frage: Wie geht das Teil auf? Es dauert eine ganze Weile, bis sich der Deckel des Einzelstücks zu öffnen entschließt. Rabiate Methoden verbieten sich bei einem solchen Museumsexponat von alleine, doch schließlich klicken die Verschlüsse, die Box ist hinten ebenso aufklappbar wie offen. Sie ist fürs Heckzelt oder sportliches Gerät reserviert, tendenziell nasse oder schmutzige Sachen also. Die Box, sie beschert dem VW ein Höhenplus von 121 Millimetern, offen zu lassen, das sollte den Transport von Surfbrettern oder Skiern erlauben, Gurte übernehmen die Ladungssicherung.
Man muss einfach den Mut goutieren, vor einem Vierteljahrhundert einen Camper auf Basis eines Hochdachkombis auf einem Messestand zu platzieren. Klar, es gab schon vorher zum Camper modifizierte Vehikel vom Schlage eines Renault R4, manch Bastler hat hier mittels GfK-Haube oder Pilzdach zusätzlichen Raum geschaffen. Und auch heute, Reimo beispielsweise beweist das seit Jahren, steht dem Caddy ein Aufstelldach gar nicht schlecht. Doch diesen Weg ging die Niedersachsen nicht, sie ließen die Hülle und damit auch die tragenden Strukturen möglichst in Ruhe, lediglich der Stauraum auf dem Haupte wurde realisiert. Immerhin waren ein Träger für zwei Radel und ein Zelt am Heck vorgesehen, wie es bis heute für zusätzlichen Raum sorgt. Allerdings hat der Vantasy keine Heckklappe, sondern eine asymmetrisch geteilte Hecktür, das erschwert die Sache mit dem Zelt ein wenig.
Der Innenraum
Auch im Innenraum ahnt man, dass es an Vorbildern fehlt, an denen man sich reiben müsste, der Ideen man aufgreifen, verändern, modulieren oder verbessern können. Klar war immerhin, dass eine modulare Möbelbauweise für maximale Variabilität sorgen sollte. Indes war der Raum ja begrenzt, das Volumen von 2,9 Kubikmetern galt es sinnig zu nutzen. Und die seitlichen Radkästen wollten ja auch noch umbaut werden, an den Flanken wurden deshalb Ablagen für Geschirr und Gepäck vorgesehen, auch ein Wasserreservoir hätte hier Platz finden können, wobei die schön abgerundeten Deckel der seitlich angebrachten Containermodule voraussichtlich eine Liegefläche von 1,10 x 1,98 Meter einfassen.
Kai-Uwe Knoth
Für die zwei Klappfächer im Tiefgeschoss seitlich der Kühlbox gibt es eine Aussparung im Bett.
Unter der Liegefläche sollte all das verschwinden, was gerade nicht gebraucht wurde; das offizielle Statement sprach damals vom „Unterbringen der Tages- und Nachtutensilien“, wobei der hintere Teil der Liegefläche gleichzeitig als Tisch für draußen gedacht war; die sommerlich mit stoffbespannten Klappstühlen reisen ebenfalls im Tiefgeschoss mit, sie sind farblich passend zu den beiden Stofftaschen an den Hecktüren gehalten, die Rollos in den Seitenfenstern tragen den Namen der Studie. Wirklich blickdicht sind sie freilich nicht, aber wir wollen nicht nörgeln. Stattdessen rasch ein lobendes Wort für die aufklappbare Dachkonsole über den vorderen Sitzen: Der von innen zugängliche Stauraum ragt in den GfK-Aufsatz, von der Seite betrachtet man offensichtlich eine optische Nähe zum Pick-up, der der erste Caddy ja ursprünglich war.
Der Caddy-Pickup
Übrigens bekam der Caddy im Herbst 1996 nach einer Pause wieder einen offenen Bruder zur Seite gestellt, die Kunden haben auch erfolgreich geequengelt, weil es zwischenzeitlich keinen Pickup gab. Und wieder zeigte sich ein Caddy als schönes Beispiel europäischer Zusammenarbeit, of this Mal wurde nach Mladá Boleslav geblickt, der Caddy Pickup (Eigenname) teilte sich die Plattform mit dem Škoda Felicia, auf eine Volkswagen-Plattform wurde generös verzichtet. Ähnlich wie sein geschlossener Bruder erlangte der VW Caddy Pickup seine Eigenständigkeit durch einen anderen Grill, andere Farben und spezielle Anbauteile. Die Ladefläche misst gut zwei Quadratmeter und erlaubt eine Nutzlast von 530 Kilo. Genau vier Jahre lang blieb die Pritschenlösung im Programm.
Ausstattung und Technik
Doch zurück zum Vantasy, der selbstverfreilich eine Kühlbox Hut. Der kleine, zentral hinter den Sitzen installierte Fridgideur war dank einer Aussparung in der Holzplatte des Betts für den schnellen Zugriff während der Fahrt geeignet. Apropos Fahrt: Für Schub sorgte der immerhin 100 PS starke TDI, der mit seinen 1896 Kubikzentimetern für Tempo 178 gut war; Mitte der 1990er Jahre war das ein richtig flottes Wägelchen. Und sparsam wäre der Ölbrenner unter Garantie auch gewesen, trotz des veritablen Ausbaus. Denn die Liegefläche ist aus massivem Holz gefertigt wie auch der Tisch. Und das aufwändig mit abgerundeten Kanten versehene Schott im Tiefgeschoss, es dient quer im Parterre – hei, das reimt sich sogar –, als Auflage der Bettfläche wie als Separation des Laderaums hinter der Kühlbox ist mit einer Dicke von 70 Millimetern auch kein billiger Leichtbau. Das mag an der Tatsache liegen, dass der Vantasy vermutlich ohne das Zutun der Nutzfahrzeugentwicklung entstand; Auch der dort für Sonderfahrzeuge zuständige Entwickler Klaus Trostmann kann hier nicht weiterhelfen, ebenso wenig der damalige Hallenmeister Uwe Keufner. Karl-Heinz Forytta, er war selbst lange Jahre in der California-Entwicklung bei Volkswagen Nutzfahrzeuge tätig, vermutet deshalb: „Es wird wohl ein reines Designfahrzeug gewesen sein. Das erklärt dann auch, warum man ohne Rücksicht auf Gewicht losgelegt hat. Zwar hübsch das alles – aber die Funktion fehlt, das ist alles viel zu schwer.“ Weiterhin vermutet „Kalle“, dass das „ein Projekt zwischen Design und Marketing“ war.
Das mag auch die spannenden Abstützung des Betts im Bereich der B-Säule erklären. Manche Aufbauhersteller hängen das Dormitorium an die Kopfstützen, der aktuelle Caddy California hat pfiffige Nischen in den B-Säulen. Der Vantasy hingegen nutzt zwei ausklappbare Latten, die direkt auf dem hintersten Teil der Sitzfläche des Vordergestühls stehen. Damals waren Sitze noch zweiteilig ausgeführt, die Lehnen ließen sich so weit nach vorne klappen, dass ein Teil der Sitzfläche hinten herauslugte. Nicht viel – aber genug, um die Holzstelzen aufs schicke Kaktusmuster zu setzen. Alltagstauglich? Nö – aber von außen sah man das ja nicht.
Vantasy doch nur ein Ausstellungsstück
Was man dagegen noch sieht, das ist das Kabel unterm Auto: Die Leitung, mit dem Wagen während der Messe mit Strom für die Beleuchtung versorgt wurde, ist noch vorhanden. Ebenso fand sich unterm Bett noch der originale Überzieher, der eigens für die Nächte während des Messeauftritts geschneidert wurde. Mit den Campingtalenten hat das Stoff-Verhüterli natürlich nix zu tun – mit der Fahrzeughistorie aber sehr wohl. Und deshalb wurde das Artefakt ebenso im Auto belassen wie das schmucke Kunststoffbesteck in der linken Schublade. Warum jedoch Messer, Gabel und zweierlei Löffel jeweils in sechsfacher Ausführung an Bord sind, das WIRD wohl ein Geheimnis bleiben müssen. Immerhin passt der currygelbe Farbton „vantastisch“ zu diesem Caddy.
Seitlich in Fachlagen übrigens noch einige originale Preislisten vom Oktober 1995, nicht angerührt, seitdem der Vantasy von der Messe in seiner heutigen Heimat gerollt wurde. Ich hab mir eine herausgenommen und ein bisschen drin rumgelesen. Dann hab ich nochmal auf dieses coole Kaktusmuster geblickt – hatte ich schon erwähnt, dass mich das völlig fertig macht – und die Broschüre wieder an ihren Platz gelegt. Und dann hab ich mich gefreut, dass die 90er noch so fröhlich hüpfen.
Caddy 3: Erster Camper
Kai-Uwe Knoth
Der Cross Caddy wurde 2013 als kompakter und preisgünstiger Camper präsentiert.
Der Caddy war schon vor mehr als einem Jahrzehnt das preisgünstigstes Reisemobil von Volkswagen Nutzfahrzeuge, im Herbst 2013 wurde der kompakte Camper in der damals aktuellen, hier zu sehenden Optik des Cross Caddy an den Start gebracht. Das Bett maß zwei Meter, vorne sorgten ein Vorhang, hinten eine Magnetgardine für Privatsphäre.
Caddy 4: Nähe zum Bully
Kai-Uwe Knoth
Der Caddy Beach kommt mit Heckzelt, Kühlbox und Sitzgruppe.
Mit Caddy 4 kommt ein neuer Name ins Spiel, der „Beach“ bietet ein Camping-Paket mit Heckzelt, Kühlbox und Sitzgruppe. Magnetvorhänge sind Standard wie auch eine im Heck befindliche Bedienung für die Zentralverriegelung. Allrad war ebenso erhältlich wie eine Erdgas-Version und diese knapp 50 Zentimeter längere Maxi-Ausführung.
Caddy 5: Endlich ein Cali
Kai-Uwe Knoth
Der Caddy California kommt am nächsten an den großen Bruder, den Bulli, ran.
Der Fernweh-Caddy schnuckelt auch mit seinem Namen an den großen Bruder auf Basis des Bulli ran. Zudem kommt das Bett nun ohne die hinteren Sitze aus, das sorgt für Raum unter der Liegefläche. Dort reisen die Campingmöbel mit und auf Wunsch auch die Miniküche samt Gaskocher. Außerdem gibt es nun ein Panoramadach für den Blick in die Sterne.
Vantasy-Heimat Wolfsburg
Kai-Uwe Knoth
Ein Caddy als Camper? Mitte der 1990er Jahre eine verwegene Idee!
Ohne den Freundeskreis Stiftung AutoMuseum Volkswagen wäre diese Geschichte kaum entstanden. Vor vier Jahren fanden sich 17 ehemalige Mitarbeiter von Volkswagen Nutzfahrzeuge zusammen, inzwischen sind es rund 40 Mitglieder, auch aus den Bereichen Pkw und Forschung. Sie alle eint die Lust, mit anzupacken, zu tüfteln oder zu schrauben, um so gemeinsam dafür zu sorgen, dass das AutoMuseum seine Besucher immer wieder mit neuen, fahrbereiten Exponaten begeistern kann. Aktuell geben rund 130 Fahrzeuge auf 5.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche einen faszinierenden Einblick in die VW-Geschichte, seltene Studien stehen hier neben Prototypen oder Unikaten, untergebracht ist das 1985 eröffnete Museum in einer ehemaligen Kleiderfabrik. Dort kann man auch den aktuell leider nur rollbaren Vantasy besichtigen, der klassisch von Einem T3 Syncro zurück in die Sammlung gezogen wurde. Wir berichten uns ausdrücklich beim Museum wie beim Freundeskreis! Infos unter: www.automuseum-volkswagen.de
Technische Daten
Baujahr: 1995
Motor: Vierzylinder-Reihe, TDI, 1896 cm3, 74 kW/100 PS
Höchstgeschwindigkeit: 178 km/h
Länge, Breite, Höhe, Radstand: 4233 mm, 1696 mm, 1960 mm, 2601 mm
Sitz-/Schlafplätze: 2
Größe des Betts: 110 x 198 cm, Einzelstück auf Basis des Caddy 2
Quelle: www.promobil.de